Wir müssten das nicht tun, aber… Saubere Energie für Bissendorf e.V. präsentiert: Dinner for one oder: Ein Bürgerdialog, der nicht stattfindet

01.08.2016 12:12 von Sabine Driehaus

Ende November 2014 laden Übertragungsnetzbetreiber Amprion und Gemeindevertretung Bissendorf  zum Trassenfindungsprozess. „Wir beschreiten neue Wege bei der Bürgerbeteiligung“, heißt es sinngemäß in der Einladung, und: „Wir müssten das nicht tun“, betont Bürgermeister Guido Halfter wiederholt.
Die Gastgeber planen das Menü, und es wird gegessen, was auf den Tisch kommt: Dreizehn als schmackhaft und weniger schmackhaft deklarierte (Freileitungs-) Trassenvarianten im Bereich zwischen den alten 110 - und 220 kV- Leitungen gibt das Buffet her mit der Möglichkeit, sich aus den Zutaten selbst etwas zusammenzustellen. Da ÜNB Amprion meint, im Vorfeld schon Tatsachen geschaffen zu haben, lässt er eine Totalverweigerung als Option nicht gelten. Also macht ein Großteil der mehr als 700 teilnehmenden Bissendorfer unter dem Motto „Friss oder stirb“ wie erwartet von der Möglichkeit Gebrauch, jeweils die für sie persönlich weniger schmackhafte(n) Variante(n) weit von sich zu weisen. Vorher mussten sie die Gastgeber allerdings mehrfach darauf aufmerksam machen, dass eine derartige Veranstaltung auf die (Vor-) Weihnachtszeit begrenzt keine so gute Idee sei.
Die Anmerkungen, Hinweise und Anregungen der Bürger, die laut Planer „kurzfristig beantwortet, dokumentiert und abgewogen“ würden, aber „keine bindende Wirkung“ hätten, landen auf dem Schreibtisch des Leipziger Büros Hitschfeld für strategische Beratung GmbH, bei dem ÜNB Amprion Kunde ist.
Mitte Juni 2015 beantwortet eben dieses Büro die Anmerkungen, Hinweise und Anregungen der Bürger aufgrund der „Vielzahl der Einsendungen“ (kurz-fristig) mit einem Einheitsbrief.
Ein Arbeitskreis, überwiegend mit Experten aus Politik und Verwaltung bestückt, nimmt sich inhaltlich der Anmerkungen, Hinweise und Anregungen der Bürger an, selbstverständlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, und kommt zu dem Ergebnis: Man streiche zwei, drei Varianten, verteile den Rest auf zwei Trassenkorridore, in denen (theoretisch) noch alles möglich ist und – voilá! – ist nicht schlauer als zuvor, natürlich ohne  bindende Wirkung. Dafür aber mit Bürgerbeteiligung.
Im Dezember 2015 gibt der Gesetzgeber den Forderungen der Bürgerinitiativen nach Erdverkabelung nach. Eigentlich müsste das Verfahren nun komplett neu aufgerollt werden, Trassenfindung inklusive. Aber ÜNB Amprion lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und übt vornehme Zurückhaltung; schließlich handelt es sich nicht um einen „Muss-“, sondern einen „Kann-“ Paragrafen.
Überhaupt hat es der Übertragungsnetzbetreiber nicht so mit der Kommunikation. Einzig die technische Umsetzung der Erdverkabelung (schwierig und teuer!) vermag ihn aus der Reserve zu locken. Die eigenen Defizite klar erkennend, sucht ÜNB Amprion Hilfe bei „Net-Future-Niedersachsen“, einem Forschungsprojekt / -schwerpunkt der Hochschule Osnabrück. Dieses hat ausschließlich das Ziel, „die Akzeptanz des Netzausbaus vor allem bei den Bürgern zu steigern“, und bedient sich dabei kommunikationswissenschaftlicher, steuerungspolitischer und juristischer Methoden.  Der Netzausbau – das betonen die Wissenschaftler – wird dabei (ganz im Sinne der Übertragungsnetzbetreiber) nicht in Frage gestellt. Eine Million Euro aus Landesmitteln (das sind Steuern) und der Volkswagenstiftung fließen in das Projekt, welches zeitgleich mit dem anfänglichen, nichtöffentlichen Teil des Bissendorfer Trassenfindungsprozesses an den Start geht. Seit knapp zwei Jahren befragt die Wissenschaft also Experten aus Politik und Verwaltung auf kommunaler und Landesebene, unterstützt von einer illustren Auswahl an Projektpartnern aus der Energiewirtschaft. Zu Fortbildung und Austausch dienen u.a. Workshops der IKU GmbH-Die Dialoggestalter, bei der ÜNB Amprion Kunde ist.
Obwohl man gerade die Bürger überzeugen will, scheint ein Austausch mit diesen entbehrlich: Durch die Webseite https://www.hs-osnabrueck.de/de/net-future-niedersachsen/ neugierig geworden, kontaktiert der Bissendorfer Energieverein Anfang Juni diesen Jahres die Ansprechpartnerin des Projekts mit der Bitte um nähere Erläuterung desselben. Seitdem wartet er (bisher vergeblich) auf den zugesagten Gesprächstermin. Auch die Neue Osnabrücker Zeitung – schon vor Monaten auf dieses unter den gegebenen Umständen etwas merkwürdig anmutende Projekt angesprochen – zeigt keine Eile, darüber zu berichten.
So bleiben viele Fragen offen, zum Beispiel zu dem etwas schwer zugänglich im PR-Magazin veröffentlichten Artikel: „Das ist so ungerecht! -  Über die Rolle der Gerechtigkeit in der Öffentlichkeitsbeteiligung beim Stromnetzausbau“. Oder: Wie betroffen ist ein „betroffener Bürger“ und wer zieht die Grenzen?

Seien Sie dabei, wenn es wieder heißt: „Must I, Miss Sophie -äh, Amprion?“  -   „James! Just to please me!“
Demnächst in diesem Theater.


Nachtrag: Kurz nach Redaktionsschluss des Bissendorfer Blickpunkts, zu dem dieser Artikel fristgerecht eingereicht wurde, erreichte uns eine E-Mail der Ansprechpartnerin des Hochschulprojekts mit drei Terminvorschlägen für den Zeitraum Ende Juli / Anfang August 2016. Es besteht somit eventuell eine

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