Wir fahren elektrisch!

15.07.2017 22:59 von Sabine Driehaus

Laden ist das neue Tanken: E- statt Au!

Wir fahren elektrisch!

Scheiden tut weh

„Die kleine Französin“ nennt der technikverliebte männliche Teil unseres Haushalts ihn beinahe zärtlich: Den Renault Zoe, klein, schnittig und hundert Prozent elektrisch. Seit einiger Zeit steht er vor unserer Haustür. Die Sympathien der weiblichen Familienmitglieder gelten allerdings eher dem, der geht: Unserem heiß geliebten VW T4 Diesel, zwanzig Jahre alt, über sechshunderttausend Kilometer auf dem Tacho und noch ohne Betrugssoftware, ein ehrliches Blech sozusagen, wenn auch etwas –nein,  ziemlich! - schmutzig. Die Kinder sind praktisch mit ihm groß geworden; er war der rettende Engel, die „Linie 606“, wenn es morgens mal wieder so spät war, dass sie vom Schulbus nur noch die Rücklichter sahen. Der Campingurlaub in England, der ohne die Standheizung und das geräumige Innere des Bullis ein Desaster geworden wäre. Die nächtliche Fahrt durch das menschenleere Lappland, mit einem Dauerstoßgebet Richtung Motor: „Bitte, bitte bleib nicht gerade jetzt liegen!“ Er blieb nicht liegen.
So etwas verbindet.
Aber Schluss mit den Sentimentalitäten, schließlich ist es ja nur ein Auto, und da entscheidet nicht der Bauch, schon gar nicht das Herz, sondern der kühle Kopf. Beziehungsweise das Bodenblech, und das sagt: Ein neues muss her!
Aber wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual. Zwanzig Jahre technischer Errungenschaften der Automobilindustrie sind praktisch an uns vorbei gezogen, und so müssen wir uns nicht nur über Marke, Größe und Ausstattung unserer zukünftigen Familienkutsche Gedanken machen, sondern auch über die Antriebsart: Benziner? Diesel? LNG oder CNG? Hybrid oder gleich ganz elektrisch?
Die Kinder sind weitgehend aus dem Haus – das spricht für ein kleines Fahrzeug. Wir nutzen es unregelmäßig und zu 95 Prozent im Kurzstreckenverkehr – der langsame Tod eines jeden Verbrennermotors. Wir unterstützen die Energiewende, beziehen den ökologisch erzeugten Bürgerstrom und haben zusätzlich eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach.
Ein Elektroauto liegt also nahe. Wäre da nicht das Thema Reichweite: Was, wenn wir mal eben nach  Nordfriesland fahren wollen? Machen wir zwar selten, weil es so weit ist, schon gar nicht „mal eben“, aber egal, mit einem Verbrenner könnten wir zumindest, wenn wir wollten. Pausen, klärt mich mein Sohn auf, müsse man auf längeren Strecken ohnehin machen, und währenddessen könne auch das Elektroauto laden. Außerdem gebe es ja noch die Deutsche Bahn oder notfalls ein Mietauto. Ganz überzeugt mich das nicht – mein Vertrauen in das „Unternehmen Zukunft“ hält sich in Grenzen – da kommt es: „Mensch, Mama! Das ist spannende, hochmoderne Technik. Sei doch mal ein bisschen fortschrittlich!“ Das Totschlagargument. Wer will schon als altmodisch oder gar hinterwäldlerisch abgestempelt werden?
Jetzt steht er also vor der Tür, unser Kulturschock. Das Licht geht von allein an, die Scheibenwischer merken selbständig wenn's regnet, und statt Schlüssel gibt es eine Plastikkarte (darf man die überhaupt gefahrlos in die Hosentasche stecken? Was passiert, wenn man sich draufsetzt?). Zugegeben, dieses leise, sanfte Dahinrollen hat schon was. Und dank der elektrischen Heizung wird es im Winter auch – sofort! - warm.
In Nordfriesland war ich übrigens inzwischen auch: Auf der Hinfahrt habe ich meine Socken fertig gestrickt, auf der Rückfahrt den neuen Krimi meiner Lieblingsautorin verschlungen.
Alle Wetter, die Bahn.

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